10 Fragen zur Ernährungspsychologie
Ein Blick hinter die Kulissen ernährungstherapeutischer Arbeit: Autonomie, Verbundenheit, Reaktanz & Beziehung.

In unserer Gesellschaft herrscht ein Bild von Ernährungsberatung vor, von dem wir uns bei VerumVita® distanzieren möchten. Noch immer ist sie häufig durch ein normatives Experten-Laien-Gefälle geprägt – entgegen der Evidenz zu nachhaltiger Verhaltensänderung.
Um besser zu zeigen, wie ernährungspsychologische Arbeit funktioniert, beantworten wir 10 zentrale Fragen. Sie zeigen, warum Beziehung, Autonomie und Verbundenheit die Basis für Veränderung sind – nicht Kontrolle oder Verbote.
Fragen & Antworten
In der Ernährungspsychologie verstehen wir das Thema Essen als einen elementaren Teil des Lebens, der nicht von anderen Teilbereichen des menschlichen Lebens getrennt betrachtet werden kann.
Da jede Beratungssequenz so individuell ist wie meine Klient*innen, kann ich die Frage am ehesten beantworten, wenn ich sage, was meine Arbeit nicht ist: Sie ist keine klassische Ernährungsberatung im Sinne eines normativen „Du darfst“ und „Du darfst nicht“.
In meinen Augen ist die klassische Ernährungsberatung, also normative Wissensvermittlung, von Beginn an zum Scheitern verurteilt, weil sie elementare Grundbedingungen der menschlichen Psychologie missachtet.
Zum einen das Thema Autonomie und zum anderen das Thema Liebe bzw. Verbundenheit.
Beginnen wir beim Thema Liebe und Verbundenheit: Kleine Babys kommen so „unfertig“ auf die Welt, dass sie ohne die Fürsorge ihrer engsten Bezugspersonen nicht ansatzweise überleben könnten. Geliebt und genährt zu werden – das ist in den ersten Lebensmonaten untrennbar. Muttermilch ist leicht süßlich, was den Griff zur Schokolade bei unerfülltem Bedürfnis nach Nähe verständlich macht.
Wenn Ernährungsberater*innen normative Regeln aufstellen, ohne die Grundbedürfnisse ihrer Klient*innen zu verstehen, ist die Zusammenarbeit zum Scheitern verurteilt. Deswegen braucht es Ernährungspsychologie.
Nach einer gewissen Zeit interagieren Babys zunehmend ausdrucksstärker mit ihrer Umwelt. Das zeigt sich auch daran, dass sie beginnen andere Nahrung zu sich zu nehmen. In dieser Phase entfaltet sich das Bedürfnis, die eigene Autonomie zu entdecken.
Es presst die Lippen zusammen, wenn der Löffel mit Brei kommt oder spuckt ihn wieder aus. So kann ein Kind das erste Mal entscheiden wann, wie und vor wem es Grenzen seines Selbst setzt oder lockert.
Wenn uns jemand sagt, was wir wann und wie essen sollen, greift er damit unsere Autonomie an. Als Reaktion fährt tief im Unbewussten eine Mauer mit der Aufschrift „Du hast mir gar nichts zu sagen“ hoch. Je stärker gegen diese Grenzen angekämpft wird, desto stärker werden sie verteidigt – notfalls mit Reaktanz.
In der Psychologie werden damit Verhaltensweisen bezeichnet, die davon motiviert sind, eingeengte oder eliminierte Freiheitsspielräume wiederzugewinnen.
Ein Beispiel: Ein Klient verspricht hoch und heilig auf Schokolade zu verzichten – und kauft sich direkt nach dem Gespräch ein großes Stück Schokotorte, um seine Freiheit zu spüren.
Die Aufgabe eines guten Ernährungstherapeuten besteht darin, das Duell der Reaktanz zu vermeiden und stattdessen zusammen mit seinen Klient*innen an einem gemeinsam definierten Problem zu arbeiten.
Dafür braucht es eine Beziehung auf Augenhöhe. Für mich ist jede*r Klient*in Expert*in für das eigene Leben. Ernährungspsychologie bedeutet auch, die Grenzen des eigenen Einflusses anzuerkennen und zu begleiten statt zu bevormunden.
Nicht die „richtige“ Regel, sondern eine tragfähige Beziehung, die Sicherheit, Autonomie und Verbundenheit gleichermaßen stärkt.
Wenn diese Basis da ist, können Menschen ihr Essverhalten reflektieren, neue Strategien erproben und Rückfälle als Lernchancen nutzen.
ES IST DIE BEZIEHUNG, DIE HEILT.
Nächster Schritt
Reflektieren Sie Ihr eigenes Essverhalten oder starten Sie direkt mit einer begleiteten Veränderung.